Was? — Ins Kinderhospiz ab der Diagnose

Kinder­hos­piz ist “nur” ein Wort und es erschreckt viele. Es ist ver­bun­den mit vie­len Emo­tio­nen, Sto­rys und Bildern. Dies beste­ht zu Recht, aber…

Cover Image

Kinder­hos­piz ist “nur” ein Wort und es erschreckt viele. Es ist ver­bun­den mit vie­len Emo­tio­nen, Sto­rys und Bildern. Dies beste­ht zu Recht, aber auch bei mir mit Bauch­schmerz.

Denn für mich ist das Wort Kinder­hos­piz gefüllt mit viel Lebendigkeit, trau­riger wie lachen­der Erfahrun­gen, die den Wert unseres Lebens prüfen, Sinn gestal­ten und unsere Werte neu justierten / justieren. Ja, dies ist anstren­gend und es erschreckt.

Doch erschreckt das Wort “Kinder­hos­piz” auch die Fam­i­lien mit einem erkrank­ten Kind — vielle­icht war es auch bei dir so -, welche ger­ade die Diag­nose mit der Prog­nose bekam: “Ihre Tochter / ihr Sohn wird im Kindes‑, spätestens im Jugen­dal­ter ver­ster­ben.”

Dein Kind ist lebensverkürzend erkrankt.

Was ist “ab der Diagnose”?

Viele Men­schen bekom­men häu­fig erst einen Namen für ihre Erkrankung, wenn die Krankheit “aus­gereift” ist. Also wenn sich Symp­tome und gesund­heitliche Prob­leme gebildet haben, die zusam­men mit Blu­tun­ter­suchung und ander­er Diag­nos­tik ein Bild zeich­nen, was in den schlauen Büch­ern der Medi­zin­er einen Namen hat.

Bei Kindern lässt sich so manche Erkrankung früh bei den ersten “leicht­en” und unklaren Symp­tomen erken­nen. Sei es, weil das Kind dann auf ver­schiedene Krankheit­en getestet wird, zum Beispiel ein Gen- oder Stof­fwech­sel­test.

Manch andere Erkrankung, wie einige Muskel­erkrankun­gen, kön­nen ent­deckt wer­den, weil das Kind Schritte der kör­per­lichen Entwick­lung nicht oder nur teil­weise erre­icht.

Ein/e erfahrene/r Mediziner/in, welche die eine oder andere schwere Krankheit ken­nt, erfährt dabei schnell eine “Art” Ahnung, wenn sie von “leicht­en” Prob­le­men des Kindes hört und prüft dies dann.

Es sind also bei eini­gen Erkrankun­gen die ersten “kleinen” Symp­tome, die den Beginn ein­er schw­eren Erkrankung markieren.

Es sind die ersten Wochen und Monate ein­er “kom­menden” Erkrankung.

Erhält das Kind in dieser Phase eine Diag­nose — die Krankheit erhält einen Namen — aber sie bere­it­et son­st kaum Prob­leme, sie ist zu dem Zeit­punkt wed­er lebens­bedrohlich oder erfordert spezielle Pflege — hier sprechen viele dann von “ab der Diag­nose”.

Für die Kinder­hos­pize und den Dien­sten gilt: Ihre Arbeit, ihr Ange­bot an die Fam­i­lie begin­nt “ab der Diag­nose”.

An der Diagnose bricht die Welt zusammen

Viele Fam­i­lien, wenn allein schon der Ver­dacht ein­er schw­eren Erkrankung geäußert wird, fall­en in eine Starre.

Ihre Leben­s­pla­nung mit ihrem Kind, die Träume und Wün­sche, die sie für ihr Kind erlebten, zer­fall­en. Ein­fach so.

Es zer­fällt alles in kleine Stücke, ver­schwindet in einem Nebel und eine trau­rige Schwere bre­it­et sich aus. Manche sagen, ihnen wurde der Boden unter den Füßen wegge­zo­gen.

Bestätigt sich die Diag­nose nicht. Es ist zum Beispiel nur eine ver­langsamte Entwick­lung, dann kön­nen diese Fam­i­lien wieder aufat­men und den Schock um das Wohl ihrs Kindes hin­ter sich lassen.

Doch bei den anderen, so wie bei uns, gibt es kein “lasse den Schock hin­ter dir”. Der Boden, auf dem man stand, ist weg für immer und die Füße sind so schw­er als wären sie aus Blei.

Einige Fam­i­lien find­en schnell wieder einen Weg, wie sie mit dem “neuen Leben” klar kom­men kön­nen. Andere brauchen länger, schaf­fen es erst nach Jahren, einen sicheren Stand auf den neuen Boden zu erhal­ten.

Dabei gilt: Hier gibt es kein bess­er oder schlechter. Es gibt dabei kein richtig oder falsch. Jed­er Weg der Fam­i­lie, der Mut­ter, des Vaters, des erkrank­ten Kindes oder Geschwis­ter ist für sich der richtige.

Denn die Diag­nose ein­er schw­eren Erkrankung eröffnet eine Trauer um das, was vorher war, um das, was für das Leben wichtig war, die Träume und Wün­sche, die jet­zt ver­loren sind.

Jede Trauer ist so einzi­gar­tig und bunt, wie auch die Men­schen bunt und ver­schieden sind.

Begleitung mit der Trauer zum Leben

Doch sind wir Men­schen soziale Wesen, weshalb eine Trauer, die neuen Schritte im “näch­sten”, jet­zi­gen Leben leichter wer­den kön­nen, wenn wir uns anderen mit­teilen kön­nen. Wenn wir dabei unter­stützt und begleit­et wer­den, soweit wir es brauchen und für uns wollen.

Es ist ein gewichtiger Grund, warum die Kinder­hos­pize und Kinder­hos­piz­di­en­ste hier für die Fam­i­lien ab der Diag­nose da sind, ihre Türen öff­nen und die Fam­i­lien “ein­laden”.

2019 7 18 Ab Diagnose Kinderhospiz Infografik

Sie sind also auch für die Fam­i­lien da, wenn das Kind erst leicht erkrankt wirkt und das, was das Leben verkürzt, noch in weit­er Ferne weilt. Dabei funk­tion­iert vieles im All­t­ag wie bei jed­er anderen Fam­i­lie auch. Dies ist auch gut so.

Die Kinder­hos­pize sind für die Fam­i­lien da — es ist ein Ange­bot für die Fam­i­lie. Nicht mehr und nicht weniger. Es liegt bei euch als Fam­i­lie, bei dir als Mut­ter oder Vater, ob ihr oder ab wann ihr dieses Ange­bot, die offe­nen, stützen­den Hände, annehmen wollt oder nicht.

Da gibt es auch kein richtig oder falsch. Manch ein­er nimmt schon früh die Unter­stützung der Kinder­hos­pize und/oder den ambu­lanten Dien­ste an. Manch ander­er merkt bei den ersten Kon­tak­ten: “Das ist nichts für uns als Fam­i­lie” und ver­ab­schiedet sich vom Kinder­hos­piz.

Wenn es klappt, dann wis­sen diese Fam­i­lien auch, dass sie jed­erzeit wieder die Kinder­hos­pize kon­tak­tieren kön­nen.

Der Aufenthalt im Kinderhospiz fast ab Diagnose

Wir als Fam­i­lie besuchen für unsere Ent­las­tung seit über 12 Jahre die Kinder- und Jugend­hos­pize.

Die Erkrankung unser­er Tochter war schon ab dem ersten Leben­s­jahr äußerst aufwändig. Doch in die Kinder­hos­pize kamen wir erst drei Jahre später.

Zuerst kan­nten wir dieses Ange­bot nicht. Dann hörten wir davon und ich erschrak. Ist es wirk­lich was für uns? Und ich las und hörte von mehreren Fam­i­lien, dass sie dort zur Ent­las­tung hin­fahren.

Dann pack­ten wir allen Mut zusam­men und macht­en uns auf die Reise ins Kinder­hos­piz.

Die Pflegeent­las­tung der Häuser war für uns sofort der Plus­punkt gewor­den. Es ist der Haupt­grund, warum wir bis heute die Häuser auf­suchen. Und die Aufen­thalte sind für uns sehr wichtig gewor­den, um wieder gut zu uns selb­st find­en zu kön­nen, um neue Kraft zu tanken für unseren weit­eren Lebensweg.

Es gibt Fam­i­lien, die fahren sel­tener als wir ins Kinder­hos­piz. Andere Fam­i­lien häu­figer. Es gibt auch hier kein richtig oder falsch, wenn es mit dem Ent­las­tungs- und Unter­stützungs­be­darf der Fam­i­lie übere­in­stimmt.

Genau­so ist es okay, wenn eine Fam­i­lie erst dann ins Kinder­hos­piz fährt, wenn die Erkrankung schw­er gewor­den ist und sie Ent­las­tung von der Pflege brauchen.

Genau­so ist es okay, wenn eine andere Fam­i­lie schon in den “ersten Jahren der Erkrankung” ins Kinder­hos­piz fährt, da sie Zeit braucht für gute Gespräche über das Kind, ihre Leben­s­pla­nung oder auch “ein­fach um Zeit” für sich zu erhal­ten, um ein­mal ein paar Tage tief dur­chat­men zu kön­nen und auf andere Gedanken außer­halb des All­t­ags zu kom­men.

Keine Diagnose — ab ins Kinderhospiz

So wie es für einige Fam­i­lien sehr “früh”, bei den ersten Symp­tomen, eine Diag­nose gibt, kann bei anderen Kindern keine Diag­nose gestellt wer­den. Jed­er weiß nur, es ist erkrankt.

Ich per­sön­lich weiß hier immer noch nicht, was ist bess­er, eine Diag­nose über die Krankheit des Kindes zu haben oder keine. Ich weiß nur, eine Diag­nose bee­in­flusste mich, wenn wir über Ther­a­pi­en ver­han­deln. Die schlechte Prog­nose “lebensverkürzend” schwebt als Gedanke immer mit.

Ohne Diag­nose ins Kinder­hos­piz ist wiederum auch ein schwieriges The­ma, weil die Kos­ten­träger oder die Gutachter es “genau” wis­sen wollen. Ohne Diag­nose habe ich keine Prog­nose oder nur eine sehr unsichere.

Ich empfehle trotz­dem den Fam­i­lien, wenn sie den Ein­druck erleben, die Krankheit wird schlechter, das Kind baut weit­er ab, sich einem Kinder­hos­piz oder Kinder­hos­piz­di­enst vorzustellen. Ein­fach mal ins Gespräch kom­men.

Dies auch, wenn die Erkrankung lebens­bedrohlich ist.