Das Kinderhospiz und die seltenen Erkrankungen
Letzte Woche, am 28.2., war der Tag der seltenen Erkrankungen. Also der Erkrankungen, die unter 10.000 Menschen höchstens einmal auftreten. Wen es trifft,…
Letzte Woche, am 28.2., war der Tag der seltenen Erkrankungen. Also der Erkrankungen, die unter 10.000 Menschen höchstens einmal auftreten. Wen es trifft, für den und seine Angehörigen kann es wie ein Schicksalsschlag sein, denn wir haben trotz unserer hoch entwickelten Medizin ein Phänomen: Viele seltene Erkrankungen sind schlecht oder kaum erforscht und damit fehlt es häufig an Wissen, welche Therapie möglich ist. Und wenn es spezialisierte Ärzte / Ärztinnen oder medizinische Zentren gibt, dann sind diese auch selten und schlecht für einige Betroffene zu erreichen.
Aber wie hängt die Kinderhospizarbeit mit diesem Thema zusammen? Kurz gesagt, viele Krankheiten bei den Kindern mit lebensbegrenzenden Erkrankungen sind selten oder sehr selten. Das Thema ist mit uns verbunden, unserer Arbeit oder auch deiner Arbeit im Kinderhospiz und ‑dienst, egal ob als Profi oder Ehrenamtliche/r.
Eine seltene Erkrankung bringt die eine oder andere Baustellen mit sich, die im “normalen” Leben vermutlich kein Thema werden würde. Erst gestern rief mich ein Vater an, dessen Sohn verschiedene Fehlbildungen hat. Die Erkrankung ist angeboren und selten. Spannend dabei war, im Gespräch wurde nicht über die Krankheit gesprochen, wie sie sich äußert, wie sich der Tag gestalten lässt. Seine Herausforderungen, seine Sorgen, beschrieb er in der ärztlichen Betreuung. Was bedeutet es hier, wenn das eigene Kind eine seltene Erkrankung hat?
Fünf Punkte möchte ich nennen:
- Es gibt häufig nur wenige Ärzte / ÄrztInnen und Therapeuten, die gute und viel Erfahrungen haben mit der Erkrankung
- In der medizinischen Fachliteratur und Forschung gibt es häufig nur wenig Wissensmaterial
- Andere Betroffene, ob als Patient selbst oder Angehörige, sind für einen guten Austausch in der Selbsthilfe bundesweit verstreut und schwer zu erreichen.
- Es gibt für den Krankheitsverlauf und die Prognose zum Teil keine Klarheiten.
- Es gibt weiterhin das Phänomen, dass Ärzte / Ärztinnen, Pflegekräfte oder andere Professionelle die eigene Kompetenz der Betroffenen in der Erkrankung nicht annehmen. Zahlen kann ich nicht nennen, doch die Erlebnisberichte von nicht wenigen Eltern zeichnen dieses Bild.
Zum letzten Punkt: Schwierig wird es, wenn sich die Familien mit den Professionellen nicht auf einer Höhe sehen.
Ich weiß, es ist nicht einfach, Eltern dort abzuholen, wo sie gerade stehen. Schnell kann die Idee kommen, welchen Anteil tragen diese Eltern selbst, wenn sie vom medizinischen Umfeld nicht verstanden werden. Sind sie selbst vorwurfsvoll oder misstrauisch? Dieser Gedanke birgt eine Gefahr. Es geht nicht um Schuld, sondern um zu sehen, wo steht gerade die Familie. Wie geht es der Familie?
Was nützt es, Therapien zu verordnen, wenn die Eltern keine Kraft haben, keine Geduld aufbringen, um einen neuen, diesen Weg zu gehen? Diese Frage ist vielleicht falsch gestellt. Ich möchte es anders formulieren, aus meiner Erfahrung in der Elternarbeit: Erst wenn es den Eltern gut geht, kann es auch dem Kind gut gehen. Eltern müssen die Gewissheit haben, sie haben sich für diesen Weg der Behandlung der Erkrankung entschieden. Denn sie, wenn sie das Kind zuhause pflegen und behüten, müssen mit den Ergebnissen einer Therapie leben. Diese Haltung ist wertvoll, denn wenn eine Therapie scheitert, werden die Eltern es ertragen müssen und mögliche Schuldfragen verhandeln. Also braucht es für die Familien eine Klarheit, was es bedeutet, wenn sie eine Behandlung annehmen oder ablehnen. Eine Klarheit, was es bedeutet im Guten, wenn es die Krankheit verbessert, oder im Schlechten, wenn der Verlauf der Erkrankung sich negativ entwickelt.
Es klingt nach einem schweren Thema. Es ist es und es ist ein sinnstiftendes Thema, was einem Helfer im Kinderhospiz oder im Kinderhospizdienst fordert und fördert, selbst eine Klarheit für sich zu gestalten, für sein Leben.
Und für die Familien gilt: An manchen Tagen braucht es nichts weiteres, als die Familie “einfach” zu sehen, wie es ihnen geht, welche Gedanken und Gefühle sie tragen. Nichts weiter als dies. Dies ist der Job, den viele ehrenamtliche Familienbegleiter sehr gut erfüllen können und was im Gegenzug von ihnen von der Familie auch angenommen wird. Denn sie haben die Gewissheit, die Familienbegleiter haben keinen Auftrag, die Familie zu irgendwas zu bewegen. Sie kommen, um einfach da zu sein, ihnen Zeit zu schenken.
Wenn Du, ob haupt- oder ehrenamtlich, mit Familien mit lebenslimitierend erkrankten Kindern arbeitest, wie ist es für dich? Ist es dir möglich, diese Familien auf ihrem Lebensweg einfach nur zu sehen, da, wo sie gerade stehen, zu hören, was sie bewegt?