Petition zur Intensivpflege bei Kindern — IntensivLeben im Interview

Der Pflegenot­stand wirkt und die Poli­tik arbeit­et an ver­schiede­nen Wegen der Lösung. Doch nicht alle Pflegebedürfti­gen kön­nten davon gle­icher­maßen prof­i­tieren. Betrof­fen wären zum…

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Der Pflegenot­stand wirkt und die Poli­tik arbeit­et an ver­schiede­nen Wegen der Lösung. Doch nicht alle Pflegebedürfti­gen kön­nten davon gle­icher­maßen prof­i­tieren. Betrof­fen wären zum Beispiel die inten­siv pflegebedürfti­gen Kinder und Jugendlichen.

An sich gilt aber, ob die ange­gan­gen Maß­nah­men der Poli­tik wirk­sam sind, wird sich erst beweisen müssen.

Der Vere­in für beat­mete und inten­sivpflichtige Kinder und Jugendliche e.V. aus Kas­sel hat deshalb eine Peti­tion ges­tartet, damit der Pflegekräfte­man­gel auch bei den schw­er erkrank­ten jun­gen Men­schen und ihre Fam­i­lien von der Poli­tik wahrgenom­men und vom Geset­zge­ber beachtet wird. 

Wir haben mit dem Vor­sitzen­den des Vere­ins, Markus Behrendt, gesprochen über diese Peti­tion und dem Vere­in.

Frage: Ihr, der Vere­in Inten­sivLeben, habt eine Peti­tion beim Bun­destag ein­gere­icht, die sich zur Sicherung der Inten­sivpflege bei Kindern und Jugendlichen wen­det. Wie weit seid ihr selb­st damit betrof­fen?

Inten­sivLeben e.V. mit Sitz in Kas­sel berät im Raum Nord- und Mit­tel­hessen sowie in den angren­zen­den Bun­deslän­dern Fam­i­lien, deren Kinder einen inten­sivmedi­zinis­chen Pflegebe­darf haben oder von wiederkehrend lebens­bedrohlichen Krisen betrof­fen sind.

Der Vere­in ist ein inter­diszi­plinäres Net­zw­erk aus ehre­namtlich täti­gen Ärzten, Pflegekräften, Ther­a­peuten, Sozialar­beit­ern und betrof­fe­nen Fam­i­lien. Durch die ver­schiede­nen im Vere­in vertrete­nen Fach­grup­pen und eine enge Ver­net­zung mit anderen Organ­i­sa­tio­nen und Dien­stleis­tern ist es uns möglich, bedarf­s­gerechte Hil­fs- und Ent­las­tungsange­bote zu ver­mit­teln.

Vorsitzender Markus Behrendt
Vor­sitzen­der Markus Behrendt

Der Vere­insvor­sitzende und die Lei­t­erin der Beratungsstelle sind sel­ber Eltern eines inten­sivpflichtig erkrank­ten Jun­gen. In den Arbeits­grup­pen des Vere­ins engagieren sich darüber hin­aus viele betrof­fene Eltern aus der Region Kas­sel.

Frage: Der Pflegenot­stand beste­ht deutsch­landweit, zumin­d­est höre und lese ich es aus den ver­schieden­sten Regio­nen des Lan­des. Was bedeutet der Pflegenot­stand für die Fam­i­lien und der Zukun­ft der ambu­lanten Kinder-Inten­sivpflege?

Nach unser­er Erfahrung wird die Ver­ant­wor­tung für die Pflege von schw­er erkrank­ten jun­gen Men­schen, die im famil­iären Umfeld leben durch den Pflegekräfte­man­gel zunehmend in die Ver­ant­wor­tung der Eltern über­tra­gen.

Wenn Dien­stzeit­en nicht beset­zt wer­den kön­nen, sind die Fam­i­lien gezwun­gen die Pflege ihrer Kinder allein­ver­ant­wortlich zu leis­ten.

Zunehmend wer­den auch Ver­sorgun­gen von Pflege­di­en­sten voll­ständig gekündigt. Während der schwieri­gen und meist lang­wieri­gen Suche nach einem neuen Anbi­eter wer­den die Fam­i­lien oft auch über einen län­geren Zeitraum allein gelassen.

Selb­st wenn ein Pflege­di­enst die Ver­sorgung gewährleis­ten kann, machen viele Fam­i­lien die Erfahrung, dass häu­fig wech­sel­ndes Per­son­al einge­set­zt wird. Auf­grund der oft sel­te­nen Erkrankun­gen der Kinder und Jugendlichen und der sehr indi­vidu­ellen Leis­tungsan­forderun­gen in einem anspruchsvollen Arbeit­sum­feld ist für eine qual­i­fizierte Pflege jedoch eine umfan­gre­iche Einar­beitung erforder­lich.

Diese wird vom Kos­ten­träger aber in der Regel nicht finanziert und kann daher nicht immer gewährleis­tet wer­den.

Um den­noch eine bedarf­s­gerechte Ver­sorgung sicherzustellen, sind Fam­i­lien dann trotz Pflege­di­enst oft gezwun­gen, die Anleitung der stetig wech­sel­nden Mitar­beit­er zu leis­ten. Auch dadurch wer­den die Fam­i­lien anhal­tend belastet.

Da andere geeignete Ver­sorgungsstruk­turen bish­er nicht in dem erforder­lichen Umfang zur Ver­fü­gung ste­hen, ist nach unser­er Ein­schätzung ohne eine nach­haltige Stärkung der häus­lichen Pflege zumin­d­est bei einem inten­sivmedi­zinis­chen Pflegebe­darf das Über­leben der jun­gen Men­schen zunehmend gefährdet.

Frage: Die ambu­lante Inten­sivpflege ist ein Arbeit­splatz, an dem für Pflege­fachkräfte gute Bedin­gun­gen geschaf­fen wer­den kön­nen, natür­lich in Abhängigkeit mit dem Pflege­di­enst, zum Beispiel: Eine Pflege­fachkraft auf einen Patien­ten, keine Arbeitsverdich­tung und je nach Arbeit­ge­ber ein Patien­tenkind an e…

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass bei bedarf­s­gerechter Einar­beitung, hoher Ein­satzkon­ti­nu­ität der Pflegekräfte bei weni­gen Patien­ten und enger Team­bindung der bei einem Patien­ten einge­set­zten Pflegekräfte eine hohe Arbeit­szufrieden­heit erre­icht wer­den kann.

Dies zeigt sich auch darin, dass nicht sel­ten Pflegekräfte selb­st bei einem Anbi­eter­wech­sel “ihrem Patien­ten” treu bleiben und dafür den Arbeit­ge­ber wech­seln.

Voraus­set­zung hier­für ist jedoch eine ver­trauensvolle Koop­er­a­tion zwis­chen Pflege­di­en­stleis­tern, Eltern und Pflegekräften. Der unter anderem für die Einar­beitung, Abstim­mungen und Fort­bil­dun­gen erforder­liche Zeitaufwand wird jedoch unter dem von den Krankenkassen ver­fol­gten Kos­ten­druck immer sel­tener vergütet und kann von den Pflege­di­en­sten selb­st bei viel gutem Willen immer weniger geleis­tet wer­den.

Logo des Verein IntensivLeben

Die dadurch zunehmende Unzufrieden­heit sowohl bei den Pflegekräften als auch bei den Betrof­fe­nen und ihren Fam­i­lien fördert die Abwan­derung der oft sehr hoch qual­i­fizierten ambu­lanten Pflegekräfte in andere Arbeits­bere­iche.

Frage: Es beste­ht die Idee und auch die Umset­zung, dass in der häus­lichen Krankenpflege in Höhe des Tar­i­flohnes bezahlt wird. Wie weit ist dies für die Sicherung der ambu­lanten Inten­sivpflege wichtig?

Wir begrüßen aus­drück­lich das Bemühen der Bun­desregierung, die Vergü­tung von Pflege­fachkräften deut­lich zu verbessern und dadurch die gesellschaftliche Stel­lung von Pfle­gen­den nach­haltig aufzuw­erten.

Die unter­schiedlichen Kosten­struk­turen von sta­tionären Ein­rich­tun­gen ein­er­seits und Pflege­di­en­stleis­tern im Bere­ich der häus­lichen und ambu­lanten Pflege von Kindern und Jugendlichen ander­er­seits führen jedoch nach derzeit­iger Recht­slage auch weit­er­hin zu einem deut­lichen Kostenge­fälle zwis­chen sta­tionär­er und ambu­lanter Pflege.

Die beste­hende Anforderung, die ambu­lanten Pflegekosten bei Kindern und Jugendlichen für jeden einzel­nen Patien­ten indi­vidu­ell mit der jew­eili­gen Krankenkasse zu ver­han­deln, schwächt die Leis­tungs­fähigkeit der ambu­lanten Pflege.

Frage: In der Peti­tion fordert Ihr eigene Rah­men­vere­in­barung für die ambu­lante Inten­sivpflege bei Kindern und Jugendlichen. Was ver­sprecht Ihr Euch von dieser, wenn dies umge­set­zt wer­den würde?

Wie schon beschrieben sind die Leis­tungsan­forderun­gen zur Pflege von anhal­tend lebens­bedrohlich erkrank­ten jun­gen Men­schen mit sehr unter­schiedlichen und meist sel­te­nen Erkrankun­gen außergewöhn­lich hoch.

Im Gegen­satz zu sta­tionären Ein­rich­tun­gen haben Pflegekräfte dabei im All­t­ag keine Unter­stützung durch medi­zinis­che Fachkräfte. Darüber hin­aus find­et die ambu­lante Pflege nicht nur in einem klin­is­chen Umfeld statt.

Um dem Teil­habeanspruch der jun­gen Men­schen gerecht zu wer­den, begleit­en Pflegekräfte ihre Patien­ten auch in Kindergärten, Schulen und im All­t­ag. Dabei han­deln sie in hohem Maße eigen­ver­ant­wortlich.

Im häus­lichen Bere­ich, in dem mehr als 80 % der Betrof­fe­nen leben, müssen sich die Pflegekräfte zudem in das famil­iäre Umfeld ein­fü­gen.

Diese Leis­tungsan­forderun­gen sind mit anderen Tätigkeits­feldern von Pflegekräften kaum zu ver­gle­ichen. Der beste­hende Recht­sanspruch  auf eine bedarf­s­gerechte Pflege und Ver­sorgung im häus­lichen Umfeld nach § 37 SGB V kann daher nur geleis­tet wer­den, wenn den beson­deren Anforderun­gen durch eine eigene Rah­men­vere­in­barung Rech­nung getra­gen wird.


Vie­len Dank für das Inter­view!

Hilf mit und unter­stütze die Fam­i­lie mit schw­er erkrank­ten Kindern und die ambu­lante Inten­sivpflege!

Mehr zur Peti­tion find­est Du unter: http://www.intensivleben-kassel.de/IntensivLeben/Petition.html